Wie werden Puzzles hergestellt?
Woher kommen eigentlich diese verflixten Teilchen, die uns jeweils stundenlang in ihren Bann ziehen und uns kaum mehr loslassen? Wir haben die Herstellung von Puzzles unter die Lupe genommen. Dabei ist eine kleine Reise vom Motiv bis hin zur Verpackung entstanden.
Puzzles zu produzieren, ist auf den ersten Blick nicht sonderlich kompliziert: Drucken, kleben, stanzen und schon ist das Teil bzw. die Teilchen fertig. In Tat und Wahrheit verfügen professionelle Hersteller über Know-how, welches sie sich über Generationen hinweg angeeignet haben.
Achtung: Dieser Blogbeitrag ist keine Anleitung, wie du zu Hause ein Puzzle bastelst. Stattdessen versuche ich den Geheimnissen von Ravensburger, Clementoni & Co auf die Schliche zu kommen.
Warum verwenden sie dutzende Maschinen und wieso sind unzählige Zwischenschritte nötig? Worin unterscheidet sich Pappe von Holz? Diese und viele weitere Fragen kläre ich auf den folgenden Zeilen.
Puzzles und der technologische Fortschritt
Unsere kleine Reise beginnt mit einem kurzen Rückblick. Bereits im 18. Jahrhundert begann man, Puzzlespiele zu produzieren. Der Erfinder John Spilsbury klebte Landkarten auf dünne Edelholzbrettchen und zerschnitt diese anschliessend entlang der Grenzen.
Holzpuzzles waren bis in die frühen Dreissiger herkömmlich, obwohl man auf dem europäischen Festland bereits seit mehreren Jahrzehnten Puzzles aus Pappe kannte. Die Verlage von Otto Maier (Ravensburger) und Josef Scholz boten zum Beispiel ab 1910 gestanzte Kinderspiele aus Pappe an.
Diese Lernspiele bestanden nur aus einem einfachen Wellenschnitt und blieben die Ausnahme. Zu jener Zeit lohnte es sich nicht, billige Schneider mit teuren Hightechmaschinen zu ersetzen. Dies änderte sich anfangs Dreissiger. Erwachsene kamen auf den Geschmack des Geduldspiels. Die Nachfrage schellte so stark in die Höhe, dass Massenproduktionen lohnenswert wurden.
Neue Technologien ermöglichten günstigere Stanzen mit wesentlich mehr Druck. So konnten ansprechende Formen mit bis zu 400 Teilen gestanzt werden. Warum es in Deutschland noch ca. drei Jahrzehnte dauerte, bis sich Erwachsenen Puzzles aus Pappe etablierten, erfährst du hier:
Seither hat sich die Produktion nicht grundlegend verändert, aber die Prozesse wurden schneller, qualitativer und effizienter. Zudem haben moderne Technologien wie der Vierfarbdruck, Laser oder Photoshop neue Möglichkeiten eröffnet.
Der ewige Kampf: Pappe vs. Holz
Die Produktionsprozesse von Holz und Pappe unterscheiden sich. Heute werden Puzzles meistens aus Pappe gefertigt, aber Liebhaber und Sammler würden nie auf das einzigartige Feeling von Holz verzichten wollen.
Pappe ist dagegen ideal für Gelegenheitspuzzler, welche das Motiv am Ende gerne kleben und aufhängen. Der Hauptvorteil von Pappe liegt in der serienmässigen Produktion, was wiederum die den Verkaufspreis senkt. Die Herstellungskosten eines Holzpuzzles sind etwa fünfmal höher.
So wird ein Puzzle aus Pappe hergestellt
Kommen wir zum Eingemachten! Ich habe den Herstellungsprozess mit Pappe schmatisch in fünf Schritte unterteilt. In der Realität gibt es selbstverständlich weitere Zwischenschritte.
Motiv gestalten
Hersteller (und natürlich auch wir) träumen von hohen Verkaufszahlen. Das Motiv ist das wichtigste Verkaufskriterium. Es ist die Seele des fertigen Puzzles. Hersteller müssen einiges beachten:
- Welche Sujets sind gefragt?
- Sind genügend Feinheiten vorhanden?
- Ist das Bild gestochen scharf abgebildet?
Ravensburger hat eine eigene Marktforschungsabteilung, die sich mit solchen Fragen beschäftigt. Ein Sujet ohne «Wow-Effekt» erzeugt keine Emotionen und wird nicht erfolgreich sein. Geeignete Motive sind scharf, farbenfroh und besitzen vorder- bzw. hintergründige Details.
Mit sogenannten «Schokoladenbildern» verfolgt Ravensburger diese Strategie seit Jahren erfolgreich. In der Praxis werden die Teilchen mit Fotografien, Gemälden, Zeichnungen oder Illustrationen überzogen.
Bei den imposanten Fotos handelt sich nicht um irgendwelche Schnappschüsse. Meistens stammen diese von professionellen Bildagenturen. Puzzlemarken sichern sich lediglich eine Lizenz, um das Motiv abdrucken zu dürfen.
Heute werden Fotografien im RAW-Format aufgenommen und anschliessend am Computer etwas nachbearbeitet. Ein stärkerer Kontrast kann wahre Wunder bewirken. Manche Fantasy Motive entstehen komplett am Computer. «Digital Painting» lautet das Zauberwort.
Die holländische Marke Jumbo hat sich hingegen mit klassischen Illustrationen etabliert. Jan van Haasteren und Graham Thompson greifen zum Bleistift und zaubern lustige Szenen aufs Papier. Sind die Redakteure zufrieden, benutzen die Künstler Tusche und färben das Ganze ein. Anschliessend wird es digitalisiert.
Bild drucken
Wenn das Motiv fertig gestaltet wurde, schlägt die Stunde moderner Drucker. Wer glaubt, dass die Motive auf Pappe gedruckt werden, der irrt. Man verwendet spezielles Fotopapier, das kaum Licht reflektiert. Schliesslich nerven zu stark reflektierende Teile jeden Puzzler bis in die Fingerspitzen.
Nach dem Druck kontrollieren Arbeiter die Farben auf Abweichungen. Lupen helfen, den Abzug mit der Originalvorlage zu vergleichen. Ist das Druckergebnis nicht zufriedenstellend, wird solange nach gebessert, bis die Qualität überzeugt. Anschliessend rattert der Drucker das Motiv X-Male durch.
Pappe kleben
Das bedruckte Fotopapier wäre viel zu dünn, um damit genussvoll Puzzeln zu können. Spezialkleber und Presswalze sorgen dafür, dass das Fotopapier an der Pappe haften bleibt. Interessant: Über diesen Produktionsschritt verraten die Hersteller meistens nicht viel.
Manchmal ist von eigens entwickelten Klebern die Rede. Noch wichtiger als die einzelnen Bestandteile ist die aufgetragene Menge an Klebstoff. Wie man das beste Resultat erhält, muss in unzähligen Versuchen ermittelt werden. Klar ist, dass das Trocknen zwei bis drei Tage dauert!
Das ist ein Nachteil von Fotopuzzles. Mit «heute bestellt, morgen geliefert» wird das nichts. Bedenke das, falls du ein individuelles Legespiel als Geschenk bestellen willst.
Welche Pappe wird verwendet? Das ist von Marke zu Marke unterschiedlich. Die Stärke des Kartons beträgt in der Regel etwa zwei Millimeter. ESKA aus der Niederlanden ist ein beliebter Lieferant für Pappe. Die Pappe besteht aus einer Hauptschicht und zwei feinen Überzügen. Letztere nehmen wir als blaue Rückseite der Teilchen wahr.
Teilchen stanzen
Die Teilchen werden nicht ausgeschnitten, sondern gestanzt. Das Stanzverfahren erlaubt es einem Hersteller, sich von der Konkurrenz abzuheben. Deshalb verfeinern Premiummarken ihre Technik laufend und das angeeignete Wissen halten sie möglichst geheim.
Die Vorlage der Stanzform wird meistens von Hand gezeichnet. Für diesen Arbeitsschritt ist Erfahrung und Sorgfalt nötig. Schliesslich wünscht sich die Puzzlerin von heute, dass die Teile zwar alle ähnlich gross sind, aber unterschiedliche Formen besitzen.
Anhand der Zeichnung biegen Facharbeiter messerscharfe Bänder aus Stahl und hämmern diese in vorgefräste Rillen einer Holzplatte. Der Bau eines Stanzwerkzeugs mit 1000 Teilen nimmt ca. 160 Stunden in Anspruch. Es erfordert Fingerspitzengefühl, Hingabe und Geduld.
Das Stanzwerkzeug wird jetzt in eine Pressmaschine eingespannt und mit einem Druck von ca. 1000 Tonnen auf die arme Pappe losgelassen. Innert eines Augenzwinkerns gibt die Pappe nach und besteht anschliessend aus lauter Einzelteilen.
Es ist ein sensibler Vorgang, schliesslich wünschen wir uns alle sauber und gleichmässig ineinandergreifende Teile. Scharfe Stanzmesser sind deshalb Pflicht. Sie müssen nach einigen zehntausend Vorgängen ausgetauscht bzw. geschliffen werden.
Die grössten Puzzles der Welt (mit 40 000 Teilen) werden nicht in einem Durchgang gestanzt. Dazu wäre eine riesige Anlage nötig. Mehrere Stanzdurchgänge sind aber trickreich. Schliesslich sollten die Übergänge möglichst genau passen. Sind die Verbindungsteile um Millimeter verschoben, ist das Spielvergnügen bereits getrübt.
Beutel verpacken
Bildlich gesprochen liegen nach dem Stanzen 1000 Teile vor uns, als wären sie bereits gelegt worden. So lässt sich das Legespiel nicht verpacken - die Einzelstücke müssen voneinander getrennt werden. In der Fachsprache spricht man vom «Auseinanderklopfen der Teile».
Diesen Job übernimmt eine Maschine, bei einem Menschen wäre die Gefahr zu gross, dass ein Teil verloren geht - der Albtraum jedes Puzzlers.
Passiert dies bei einem Produzenten regelmässig, zerstört er seinen Ruf und wird auf dem gnadenlosen Markt nicht bestehen können. In der Praxis verschwinden die meisten Puzzleteile aber in den Wohnzimmern. Sie schmecken Kleinkindern und Hunden einfach zu gut.
Nachdem das Puzzlespiel in seine Einzelteile zerbröselt wurde, wird der übrig gebliebene Staub abgesaugt. Es sind solche Kleinigkeiten, welche Premiummarken von der Masse unterscheiden. Nun wird die Plastiktüte mit den Teilen befüllt. Das geschieht über einen Trichter.
Der Polybeutel wird selbstverständlich verschweisst, damit keine Teile herausfallen. Einige Hersteller machen zusätzlich kleine Löcher in den Sack, damit überschüssige Luft entweichen kann.
Auf einem Fliessband vorbeiziehende Schachteluntersätze werden nun mit den Plastiksäcken gefüllt. Die Arbeiter drücken die Beutel leicht flach und packen je nach Hersteller noch Informations- bzw. Werbeflyer hinzu. Anschliessend kommt der Deckel drauf und die Box wird mit einer dünnen Folie umschlossen. Das war es!
Das Holzpuzzle: schneiden statt stanzen
Die meisten Vorgänge unterscheiden sich bei einem Holzpuzzle nur unwesentlich zum oben beschriebenen Prozess mit Pappe. Auswahl und Druck des Motivs bleiben zentral, geklebt wird ebenso, wenn auch mit anderem Leim.
Stanzen eignen sich bei Holzpuzzles nicht. Es fehlt am nötigen Druck und die Messer würden schnell stumpf. Die Spanplatten werden deshalb mit Laubsägen oder modernen Lasern geschnitten.
Um präziser zu sein, sollte ich von Dekupiersägen sprechen. Das englische Wort «Jigsaw Puzzle» ist zwar geblieben, entspricht aber nicht mehr der Realität. Laubsägen, die man in der Hand hält, sind in der Massenproduktion längst Alteisen.
Fachleute nutzen extradünne Schneideblätter mit Maschinen, welche pro Minute zwischen 500 und 1500 Mal von oben nach unten oszillieren. Dabei wird nicht selten frei Hand geschnitten. Das heisst die Schneider vertrauen ihrem Gefühl bzw. Erfahrung. Nur bei Spezialteilchen (Whimsies) wird eine Vorlage mit Linien aufgeklebt.
Profis testen nach jedem Teil die Passgenauigkeit. So erhalten sie Gewissheit, ob das Puzzle als Ganzes stabil ist oder ob das nächste Teil zusätzliche interlocking Eigenschaften benötigt. Am Ende liegt das fertige Puzzlespiel vor ihnen. Nach dem Schneiden erhält die Rückseite den nötigen Schliff.
Das digitale Zeitalter hat auch Holzpuzzles erreicht. Die Ironie des Schicksaals wollte es wahrscheinlich so: Erst stürzt der technische Fortschritt das Holzpuzzle in eine Krise, um es später aus der Versenkung zu holen:
Präzise Schneidegeräte mit Wasserstrahl oder Laser ermöglichen noch ausgefallenere Whimsies. Zudem wird der menschliche Cutter überflüssig, das senkt Kosten und macht Holzpuzzles preislich wieder konkurrenzfähiger. Der Charme von handgemachten und individuellen Schnitten bleibt dafür auf der Strecke.
Wer produziert Puzzles?
Früher wurden Legespiele in kleinen Schreinerwerkstätten oder gar im eigenen Haushalt hergestellt. Während den Wirtschaftskrisen war es eine willkommene Beschäftigung und eine geschätzte Einnahmequelle in amerikanischen Haushalten.
In Deutschland führte die Förderung von handwerklichen Tätigkeiten im Geiste Pestalozzis dazu, dass Puzzles vermehrt selbst hergestellt wurden. Vor allem in den Dreissigern wurde in den eigenen Wohnungen gesägt und geschliffen. Experten erkennen diese schmucken Stücke an den unregelmässigen Sägemustern.
Mit zunehmender Verbreitung der Puzzles aus Pappe ist die Romantik verblasst. Die Massenproduktion dominiert seither. Allerdings gibt es nach wie vor vereinzelte Könner, die ihren Lebensunterhalt mit dem Schneiden von Holzpuzzles bestreiten.
Die Puzzlebranche ist ständig in Bewegung. Neben grossen Playern wie Ravensburger, Jumbo oder Clementoni etablieren sich kleinere Produzenten. Vermehrt drängen osteuropäische Hersteller in den Markt. Typische Beispiele sind Castorland, Trefl oder D-Toys.
Die Produktionsstätten werden zunehmend nach Osten verlagert. Ravensburger hat eine riesige Fertigungsanlage in Tschechien, andere lassen gleich in China produzieren. Dies geschieht nicht nur mit dem Ziel, die Kosten zu senken, sondern auch, um das Sortiment zu erweitern.
Einen Gegenpol bilden die individuellen Fotopuzzles. Diese werden oft in Deutschland und manchmal sogar in der Schweiz produziert. Sie sind Chance und Konkurrenz zugleich.
Die beliebten Geschenke verleihen dem klassischen Legespiel neuen Schwung. Trotzdem findet auch eine Selbstkannibalisierung statt: Werden mehr Fotopuzzles verkauft, geht dies zum Teil auf Kosten von serienmässigen Puzzles.
Fazit
Puzzles werden heute serienmässig hergestellt. Trotzdem verlangen die einzelnen Arbeitsschritte den Arbeitern viel Leidenschaft, Liebe zum Detail und Geduld ab. Nur dank dieser Kombination können hochwertige Puzzles für unter 20 CHF vertrieben werden!
Fotos: ravensburger.de