Sechs goldene Eröffnungsregeln
Eine Schachpartie besteht aus Eröffnung, Mittelspiel und Endspiel. Die Schacheröffnung ist im Gegensatz zu Mittelspiel und Endspiel immer ein fester Bestandteil. In diesem Artikel erkläre ich Hobbyspielern bis ca. 1400 Elo, was es in den ersten Zügen zu beachten gilt.
Amateurspieler neigen dazu, die Eröffnungsphase zu überschätzen. Zugfolgen werden auswendig gelernt, ohne den eigentlichen Sinn dahinter zu verstehen. Mit den sechs goldenen Eröffnungsregeln empfehle ich ein Universalwerkzeug, welches nicht an eine spezifische Variante gebunden ist.
Die Schacheröffnung fasziniert, weil man sie vor einem Spiel einstudieren kann. Beim klassischen Schach ist die Anfangsaufstellung der Figuren vorgegeben, was dazu führt, dass viele Partien in den ersten paar Zügen ähnlich voranschreiten. Aufgrund diverser Möglichkeiten gerät man aber schnell in unbekannte Gewässer bzw. Stellungen.
Die verschiedenen Eröffnungsstrategien werden klassifiziert und erhalten eigene Namen. Üblicherweise sind die Eröffnungen nach einem starken Spieler benannt, der diese Eröffnungsstrategie oft angewendet hat. Oftmals verleiht auch die Ortschaft den Namen, an dem die Variante zuerst gespielt wurde.
Die Unterteilung der Schacheröffnungen kennt fast kein Ende. An einem kurzen Beispiel möchte ich zeigen, was dieser Artikel nicht behandelt:
In «Wie verbessere ich mein Schachspiel?» habe ich meine Trainingsphilosophie im Amateurbereich bereits dargelegt. Die Zeit jedes Schachspielers ist begrenzt und kann effektiver genutzt werden, als mit sturem Auswendiglernen von Eröffnungen. Um etwas Licht ins dunkle zu bringen, dient der Vergleich zum Fussball:
Stellen Sie sich vor, Sie nehmen mit ein paar Freunden an einem «Grümpelturnier» teil. Der Spassfaktor steht im Vordergrund, aber dennoch trifft sich Ihr Team für ein paar Trainingseinheiten vor dem grossen Tag. Werden Sie versuchen einen Spielzug beim Anstoss einzustudieren, der gleich zum Tor führt? Oder werden Sie doch eher Torschüsse und Passspiel trainieren?
Die Eröffnung ist nicht so wichtig, aber dennoch muss sie ansprechend gespielt werden, um nicht sofort unter die Räder zu kommen. (Analogie: Der gegnerische Spieler läuft nach dem Anstoss sofort alleine auf den eigenen Torhüter zu.) Wie geht das ohne Varianten? Mit allgemeinen Prinzipien, welche bereits von alten Meistern wie Réti oder Nimzowitsch propagiert wurden.
Bereits an dieser Stelle sei erwähnt, dass die sechs goldenen Regeln kein immergültiges Kochrezept sind. Bleiben Sie in der Eröffnung achtsam, denn wie immer gilt:
«Keine Regel ohne Ausnahme»
Keine Angst, ich werde am Schluss noch genauer auf Ausnahmesituationen eingehen.
1. Figuren entwickeln
Das Hauptziel der Schacheröffnung besteht in der Entwicklung der Figuren. Stellen Sie sich Schach als Teamsport vor, indem jede Figur eine individuelle Aufgabe übernimmt. Nehmen nicht alle Figuren an der Handlung teil (weil Sie nicht entwickelt sind), steht es wahrscheinlich schlecht um Ihre Stellung.
Kommen wir zum letzten Mal auf König Fussball zurück. Positioniert ein Trainer zwei Akteure bei den Eckfahnen, partizipieren diese nicht am Geschehen. Die restlichen neun Spieler befinden sich faktisch in der Unterzahl, obwohl je elf Fussballer auf dem Team Platz stehen. Dasselbe gilt für das Schachspiel, wenn Sie Ihre Figuren nicht entwickeln.
2. Beherrschung des Zentrums
Neben der Entwicklung der Figuren gehört der Kampf um die Zentrumsfelder zum Standardprogramm einer Schacheröffnung. Die Felder e4, d4, e5 und d5 bezeichnen das klassische Zentrum:
Diese Felder sind von hoher strategischer Bedeutung. Obwohl Schach auf den ersten Blick ein ruhiges Denkspiel ist, bleibt es ein Kriegsspiel. Militärs sprechen von Haupt- und Nebenkriegsschauplätzen – im Schach verwenden wir diese Ausdrücke nicht. Ersterer würde aber definitiv auf das Zentrum zutreffen.
Der Spieler, der die Zentrumsfelder kontrolliert, kann seine Figuren in der Regel besser aufstellen und ist flexibler in der Angriffsführung. Aus diesem Grund wird das Zentrum oftmals mit Bauern besetzt. Anschliessend unterstützen Leichtfiguren (Springer + Läufer) die Bauern im Kampf um die Schlüsselfelder.
Die ersten beiden goldenen Regeln erklären bereits, weshalb Profis meistens mit zwei Schritten des e- oder d-Bauers beginnen: Kampf um die zentralen Felder und man erhält die Möglichkeit, später einen Läufer zu entwickeln.
3. Königssicherheit
Der König ist keine besonders starke Angriffsfigur und dennoch drückt er dem Spiel den Stempel auf. Schliesslich besiegelt das Schachmatt auf den König das Ende der Partie. Im Mittelalter war es ähnlich: Könige waren selten an der Front im Einsatz – wie im Schach. Ihre Bedeutung im Hintergrund war aber immens.
Ein Ziel der Eröffnung besteht deshalb darin, seinen Monarchen in Sicherheit zu bringen. Meistens geschieht dies mithilfe der Rochade. In der Ecke fühlt sich der König meistens sicherer als in der Mitte. Dies geht Hand in Hand mit Regel Nummer 1, da die Rochade die Entwicklung der Leichtfiguren zwischen Turm und König verlangt.
Welche Leichtfiguren greifen zuerst ins Spiel ein? Dies lässt sich nicht pauschal beantworten. Es hängt davon ab, mit welcher Farbe wir spielen und ob es sich um eine offene (1.e2-e4) oder geschlossene (1.d2-d4) Eröffnung handelt. Typischerweise wird zuerst ein Springer entwickelt. Die italienische Eröffnung soll als praktisches Beispiel dienen:
Die ersten drei Tipps sind am wichtigsten. Wenn Sie diese verstanden und verinnerlicht haben, werden Sie die anderen Ratschläge wesentlich leichter nachvollziehen können.
4. Ziehe mit jeder Figur nur einmal
In der Eröffnung sollte man mit jeder Figur nur einmal ziehen. Wie oben bereits erwähnt, ist die Figurenentwicklung zentral. Je schneller alle Figuren am Spiel teilhaben, desto besser! Selbst arrivierte Klubspieler verletzen diese Regel häufig. Nicht selten ist es der Hauptgrund für schnelle Niederlagen.
5. Bringe deine Dame nicht zu früh ins Spiel
Die Dame ist die stärkste Figur im Schach. Sie verleitet den Anfänger dazu, möglichst schnell mit ihr den Angriff zu suchen. Das ist falsch! Das Hauptproblem liegt darin, dass die Dame von gegnerischen Leichtfiguren (Springer oder Läufer) bedroht werden kann.
Die Dame führt das Ranking der Wert der Figuren an. Weil eine Deckung nicht in Frage kommt, muss sie bei einem Angriff erneut ziehen. Der aufmerksame Leser wird merken, dass er so gezwungenermassen Regel vier verletzen muss. In der Fachsprache spricht man von einem Tempoverlust. Das folgende Beispiel illustriert den Sachverhalt:
6. Mache nicht zu viele Bauernzüge
Jeder weiss, dass Bauernzüge in der Eröffnung notwendig sind, um den Figuren den Weg freizuräumen. Viele Amateure machen aber zu viele respektive die falschen Bauernvorstösse. Welche sind notwendig und welche sind überflüssig?
Sie wissen bereits über die wichtige Rolle des Zentrums bescheid. Die Springer lassen sich ohne Bauernzüge problemlos hinausbefördern - bleiben noch die Läufer. Die meisten Grossmeisterpartien beginnen mit 1.e2-e4 oder 1.d2-d4. Dies öffnet die Diagonale für einen Läufer und besetzt das Zentrum mit einem Bauern.
Kurz: Bauernzüge werden im Kampf um das Zentrum gemacht und um Figuren entwickeln zu können. Vermeiden Sie den Anfängerfehler folgenden Anfängerfehler:
Ausnahmen
Mit den sechs goldenen Eröffnungsregeln gelingt Ihnen eine saubere Eröffnung. Solche allgemeinen Tipps setzen aber immer gesunden Menschen voraus. Betrachten wir als Beispiel die Spanische Eröffnung:
Hobbyspieler sollten die goldenen Eröffnungsregeln aussen vor lassen, wenn sie einen konkreten Grund haben. Klingt vielleicht wenig nützlich, aber beantworten Sie einfach folgende Frage:
Warum breche ich die Eröffnungsregeln?
Lautet Ihre Antwort etwa so: Weil meine Figur angegriffen war oder weil ich Material gewinnen konnte, sind Sie wahrscheinlich auf dem richtigen Weg. Schlechter sieht es bei solchen Phrasen aus: «Ich dachte, ich könnte vielleicht einen Angriff starten.»
Fazit
Spielen Sie in der Eröffnung nach den sechs goldenen Regeln, bleibt Ihnen das Auswendiglernen von Zugfolgen als Hobbyspieler zu einem grossen Teile erspart. Achtsamkeit ist aber immer geboten und verletzen Sie die Regeln falls nötig.